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DOMS – Delayed Onset Muscle Soreness

 

Grüße vom Rennsteig


Warum du manchmal erst zwei Tage nach dem Lauf so richtig müde bist

Verzögerte Erschöpfung nach langen Trainingseinheiten – was steckt dahinter?

Kennst du das Gefühl?
Du kommst nach einem langen Trainingslauf – sagen wir mal zweieinhalb Stunden – zufrieden und erfüllt nach Hause. Die Beine sind vielleicht etwas schwer, aber insgesamt fühlst du dich erstaunlich stabil. Vielleicht sogar energiegeladen. Kein Einbruch, keine bleierne Müdigkeit. Du isst gut, schläfst passabel, und auch am nächsten Tag denkst du: „War halb so wild.“

Doch dann – am zweiten Tag – trifft es dich wie aus dem Nichts. Plötzlich ist die Luft raus. Du bist matt, deine Gedanken träge, der Körper fühlt sich wie Blei an. Was ist da los?


Der Körper auf Autopilot – Stresshormone überdecken Erschöpfung

Direkt nach dem Training ist dein Körper noch im „Hochleistungsmodus“. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol – unsere Stresshormone – halten dein System auf Spannung. Diese Hormone sorgen dafür, dass du aufmerksam bleibst, dich stark fühlst und auch kleinere Wehwehchen gar nicht erst wahrnimmst.

Ein bisschen wie ein innerer Autopilot, der dich noch durch den Tag trägt – aber eben nur für eine begrenzte Zeit.

Sobald der Spiegel dieser Hormone absinkt – meist über Nacht oder am Folgetag – wird plötzlich sichtbar, was das Training wirklich „gekostet“ hat.


Muskeln melden sich später: DOMS & Mikroschäden

Hinzu kommt: Viele körperliche Anpassungen laufen zeitverzögert ab. Besonders bekannt ist das Phänomen des verzögerten Muskelkaters (DOMS – Delayed Onset Muscle Soreness). Hierbei entstehen winzige Risse in den Muskelfasern, sogenannte Mikrotraumata, die erst 24 bis 48 Stunden nach der Belastung spürbar werden.

Die Studienlage bestätigt das:
Cheung et al. (2003) beschreiben, wie diese Entzündungsreaktionen zeitversetzt ablaufen und damit auch die spürbare Erschöpfung beeinflussen.

Auch Connolly et al. (2003) betonen, dass DOMS nicht nur muskulär, sondern auch systemisch wirken kann – also den gesamten Organismus belastet.


Zentrale Erschöpfung: Wenn dein Nervensystem auf Sparflamme schaltet

Was oft vergessen wird: Nicht nur Muskeln, auch dein Gehirn wird beim Ausdauertraining stark gefordert. Gerade bei langen, ruhigen Läufen muss es über Stunden Atmung, Haltung, Bewegungsabläufe und Energiehaushalt steuern.

Diese dauerhafte Reizverarbeitung erschöpft irgendwann auch das zentrale Nervensystem. Die Folge: mentale Leere, Reizbarkeit, verlangsamtes Denken, innere Unruhe – oder einfach nur das Gefühl, „nichts mehr auf die Reihe zu bekommen“.

Und diese zentrale Ermüdung kommt oft nicht sofort, sondern schleicht sich ein – wie ein Schatten, der am Horizont immer dunkler wird.


Glykogen leer – aber du merkst es (noch) nicht

Ein weiterer Grund für die verzögerte Müdigkeit liegt im Energiespeicher: Glykogen, die gespeicherte Form von Glukose, wird bei einem 2–3-stündigen Lauf nahezu komplett aufgebraucht. Doch weil dein Körper in der Lage ist, über Fettverbrennung und Hormone kurzfristig gegenzusteuern, fühlst du die leeren Speicher nicht gleich.

Spätestens am Folgetag – wenn der Speicher nicht wieder aufgefüllt wurde – kommt es dann zum „Kollaps“. Du bist kraftlos, antriebslos, vielleicht sogar etwas unterzuckert. Auch hier: Der Einbruch ist nicht sofort da – sondern verzögert.


Der Schlaf als Regenerations-Turbo – oder als Bremse?

Wirkliche Regeneration beginnt im Schlaf – besonders im Tiefschlaf, wenn Wachstumshormone ausgeschüttet und Reparaturprozesse angestoßen werden.

Aber: In der ersten Nacht nach einem intensiven Lauf ist dein System oft noch zu aktiviert. Der Puls ist erhöht, die Muskeln sind in Alarmbereitschaft, und auch der Schlaf ist flacher. Das heißt: Die „echte“ Erholung beginnt vielleicht erst in der zweiten Nacht – und dann zeigt sich plötzlich, wie müde du wirklich bist.


Was du für dein Training mitnehmen kannst

1. Plane den zweiten und dritten Tag bewusst ein
Nicht nur der Tag nach dem Longrun ist kritisch – auch 48 bis 72 Stunden später kann dein Körper noch in der Regeneration stecken. Wenn möglich: keine harten Einheiten oder langen Arbeitstage in diesem Zeitraum.

2. Unterstütze deinen Körper aktiv
Eine gute Mischung aus Eiweiß, komplexen Kohlenhydraten, Mikronährstoffen (Magnesium, Zink, B-Vitamine) und ausreichend Schlaf ist die beste Medizin. Auch Bewegung im niedrigen Pulsbereich (Spaziergänge, lockeres Radfahren) fördert den Abtransport von Abfallstoffen und bringt neue Energie.

3. Achte auf innere Signale
Manche Erschöpfung fühlt sich nicht wie Muskelkater an, sondern wie Nebel im Kopf. Das ist genauso ernst zu nehmen. Gib dir Raum – auch mental.


Fazit: Dein Körper spricht – nur manchmal etwas später

Was du erlebst, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck einer intelligenten Selbstregulation. Dein Körper versucht, dich zu schützen, zu stabilisieren, zu reparieren. Und manchmal braucht er dafür eben ein bisschen Zeit – und deine Geduld.

Also: Wenn du das nächste Mal erst zwei Tage nach dem Lauf so richtig müde bist, dann weißt du – das ist nicht ungewöhnlich. Sondern ein Zeichen dafür, dass dein Körper auf Hochtouren arbeitet. Still und leise. Und sehr, sehr weise.


📚 Quellenangaben

1. Cheung, Karoline, Patria A. Hume, und Linda Maxwell (2003):
„Delayed Onset Muscle Soreness: Treatment Strategies and Performance Factors“.
Sports Medicine, 33(2), S. 145–164.
https://doi.org/10.2165/00007256-200333020-00005

2. Connolly, Declan A. J., Stephen P. Sayers, und Malachy P. McHugh (2003):
„Treatment and Prevention of Delayed Onset Muscle Soreness“.
The Journal of Strength and Conditioning Research, 17(1), S. 197.
https://doi.org/10.1519/1533-4287(2003)017<0197:TAPODO>2.0.CO;2


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